ukrainische Kirchen

ukrainische Kirchen
ukrainische Kirchen,
 
Kurzbezeichnung für die in der Ukraine entstandenen und v. a. dort verbreiteten Ostkirchen:
 
 1) ukrainisch-orthọdoxe Kirche, historisch eng mit der russisch-orthodoxen Kirche verbundene Ostkirche, die gegenwärtig (2001) infolge von Kirchenspaltungen in drei orthodoxe ukrainischen Landeskirchen zerfallen ist: die dem Moskauer Patriarchat in kanonische Gemeinschaft verbundene und von der Gesamtorthodoxie anerkannte autonome »Ukrainische Orthodoxe Kirche« (UOK) sowie die »Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche« (UAOK) und die »Ukrainische Orthodoxe Kirche - Patriarchat Kiew« (UOK - PK), beide vom Moskauer Patriarchat und der Gesamtorthodoxie nicht anerkannt.
 
Den Anfang einer eigenständigen ukrainischen Kirchenorganisation bildete die 1303 errichtete orthodoxe Metropolie von Galitsch. 1458 ging diese in der für die Ukrainer und Weißrussen im polnisch-litauischen Staat errichteten neuen Metropolie von Kiew auf, 1685/86 wurde sie der russisch-orthodoxen Kirche eingegliedert und auf den Rang eines bloßen Bistums (Eparchie) herabgestuft. Erst 1919 entstand im Zuge nationaler und kirchlicher Autonomiebestrebungen mit der UAOK wieder eine vom Moskauer Patriarchat unabhängige (von einem eigenen Patriarchen geleitete) ukrainisch-orthodoxe Kirche, die allerdings innerhalb der Gesamtorthodoxie keine Anerkennung fand. Als »Hort des ukrainischen Nationalismus« in der Sowjetunion verboten und verfolgt, blieb sie seit 1930 v. a. unter den ukrainischen Auswanderern von Bedeutung. Im Exil gliederte sie sich in drei ursprünglich selbstständige Metropolien (USA/Südamerika; Kanada; Europa/Australien), die 1973 einen Verband eingingen, während kleinere Teile der kirchlichen Emigration selbstständig blieben oder sich der Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchats unterstellten. In der Ukraine wurde die ukrainisch-orthodoxe Kirche 1944/45 wieder ganz dem Patriarchat von Moskau unterstellt, erhielt allerdings den Status eines Exarchats und wurde 1990, nachdem 1989 erste Anzeichen neuer ukrainisch-nationalkirchlicher Bestrebungen sichtbar geworden waren, zu einer in Fragen ihrer inneren Verwaltung selbstständigen autonomen Kirche erhoben. Dennoch kam es Anfang der 1990er-Jahre zu heftigen innerkirchlichen Auseinandersetzungen, in deren Folge sich Teile der UOK unter Führung des Metropoliten von Kiew und ehemaligen Exarchen Filaret (M. A. Denisenko, * 1929; 1992 amtsenthoben, 1997 exkommuniziert) der UAOK zuwandten, die sich 1990 in der Ukraine rekonstituiert hatte. 1992 schlossen sich Teile der UAOK und die kirchliche Partei Filarets zur »Ukrainischen Orthodoxen Kirche - Patriarchat Kiew« (UOK-PK) zusammen, deren rd. 3 000 Gemeinden (Eigenangaben: 2000) v. a. in der Westukraine liegen und der Filaret seit 1995 als »Patriarch« vorsteht. (Ostkirchen, Übersicht)
 
 
F. Heyer: Die orth. Kirche in der Ukraine von 1917 bis 1945 (1953);
 J. Vlasovs'kyj: Narys istoriji Ukrajinskoji Pravoslavnoji Cerkvy, 5 Tle. (New York 1955-66);
 M. Čubatyj: Istorija chrystyjanstva na Rusy Ukrajini, 2 Bde. (Rom 1965-76);
 V. K. Lypkivs'kyj: Die ukrain. autokephale orth. Kirche (a. d. Russ., 1982);
 M.-S. Convent: Le millénaire du Saint-Baptême de la Rous' de Kiev. 988-1988 (Löwen 1987).
 
 2) ukrainisch-katholische Kirche, mit der katholischen Kirche verbundene (unierte) Ostkirche, umfasst die Katholiken des byzantinisch-ukrainischen Ritus. Hervorgegangen aus der Union von Brest-Litowsk von 1595/96 (Brester Union), bestand die ukrainisch-katholische Kirche nach der Teilung der Ukraine (1667) nur im polnischen Teil weiter. Nach den Polnischen Teilungen wurde sie 1839 im russischen Herrschaftsgebiet beziehungsweise 1875 im Cholmer Land aufgehoben und konnte sich nur im seit 1772 österreichisches Kronland Galizien weiterentwickeln (1807 Errichtung der Metropolie von Galitsch/Lemberg). Seit dem 19. Jahrhundert verstand sie sich in starkem Maße auch (besonders unter dem Metropoliten A. Szeptyckyj) als Vertreterin der nationalen Interessen der Ukrainer. Nach der Angliederung Ostgaliziens an die Ukrainische SSR im Gefolge des Zweiten Weltkrieges erklärte eine unter staatlichem Druck erzwungene »Synode« der ukrainisch-katholischen Kirche 1946 die Aufhebung der Brester Union und stimmte der »Wiedervereinigung« mit der russisch-orthodoxen Kirche zu. Danach in der Ukraine zu einer illegalen Existenz als »Untergrundkirche« gezwungen, konnte sich die ukrainisch-katholische Kirche erst 1990 im Gefolge der in der UdSSR und der Ukrainischen SSR erfolgten politischen Veränderungen rekonstituieren. 1963-91 residierten ihre Oberhäupter Josyf Slipyj (* 1892, ✝ 1984), M. I. Lubachiwsky in Rom; seit 1963 mit dem Titel »Großerzbischof von Lemberg«.
 
Heute (2001) umfasst die ukrainisch-katholische Kirche nach kirchlichen Angaben rd. 4,4 Mio. Gläubige in der Ukraine. Eigene kirchliche Jurisdiktionen bestehen für die rd. 85 000 ukrainisch-katholischen Christen in Polen und die etwa 700 000 unierten Ukrainer in der Diaspora (v. a. in den USA, in Kanada und Südamerika). Für die rd. 38 000 ukrainisch-katholischen Christen in Deutschland besteht ein Apostolisches Exarchat mit Sitz in München. Nach 1990 wurde mit der theologischen Akademie in Lemberg (1928 von A. Szeptyckyj gegründet) auch das traditionelle geistige Zentrum der ukrainisch-katholischen Kirche wieder eröffnet. (Ostkirchen, Übersicht)
 
 
J. Pelesz: Gesch. der Union der ruthen. Kirche mit Rom. .., 2 Bde. (Wien 1878-81);
 E. Winter: Byzanz u. Rom im Kampf um die Ukraine 955-1939 (1942);
 J. Madey: Kirche zw. Ost u. West - Beitr. zur Gesch. der Ukrain. u. Weißruthen. Kirche (1969);
 
Josyf Kardinal Slipyj u. seine ukrain. Kirche, hg. v. F. Loidl (Wien 1987);
 D. Zlepko: Die ukrain. kath. Kirche. Orth. Herkunft, röm. Zugehörigkeit (1992);
 
Ukraine. Ihre christl. Kirchen vor dem Hintergrund der Gesch. in Hoffnung u. Spannung, bearb. v. H. Janas (1993).

Universal-Lexikon. 2012.

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